Satellitäre Bremsbeschleunigung

geschrieben von admin am 5. Januar 2011
Kategorie: Aktuelles


Alles begann damit, dass der Mitarbeiter eines nicht näher genannt werden wollenden Satelliten-Kommunikationsunternehmen in den Vereinigten Arabischen Emiraten sich die Quartalszahlen anschaute. Er war gar nicht zufrieden. Das Problem lag bei ihrer günstigsten Sat-Lösung namens Thuraya DSL. Ups, jetzt ist der Name flatterhaften Firma doch meinen Fingern entfleucht.
Wie gesagt, Thuraya DSL machte Probleme. Erstens hatte es (außer im Namen) absolut nix mit DSL zu tun, weder in Bandbreite noch Geschwindigkeit und bestimmt nicht in der satellitenhohen Preisgestaltung von zwei Handvoll Dollars pro MB. Das störte den Mitarbeiter auch gar nicht. Wohl aber der sparsame Verbrauch eines Endkunden in der guineischen Einöde von Télimélé. Wahrscheinlich war es der sparsame Verbrauch sämtlicher Endkunden in sämtlichen Einöden dieser Welt, der seinen Beschluss beschleunigte, Thuraya DSL zum Jahresende 2010 abzuschalten. Mit sage und schreibe einem Monat Vorwarnzeit. Ein Monat im guineischen Nirgendwo ist ungefähr vergleichbar mit zwei-dreiviertel europäischen Tagen.
Mit anderen Worten: Es war mal wieder ein Wunder nötig, sonst würde die geneigte Leserschaft von téliméléschen Kommunikationsattacken verschont bleiben. Als dem sparsamen Endkunden diese Erkenntnis dämmerte, versuchte er sich die Haare seiner Kurzhaarfrisur zu raufen, bekam sie aber aufgrund ihrer Kürze die nicht in den Griff. Dank des erbetenen Wunders dafür aber das Problem:
Unser verlässlicher amerikanischer Kommunikationsanbieter, bot uns die Dienste und das Modem eines anderen Satellitenanbieters an. Gleichzeitig war eine hilfsbereite Reisende aus den USA bereit, das nötige Gerät bis nach Guinea zu befördern – wo das technische Päckchen tatsächlich zwei Tage vor Jahresende ankam.

Der darauf folgende Tag fand mich auf den Weg in die Hauptstadt, voller Vorfreude auf das wertvolle Kommunikationsgut. Unser Auto schien meine Motivation zu verstehen und tat alles, um meinem Tatendrang nicht zu bremsen, indem es nach 4 Stunden auf der Piste ebenjene automobile Hemmvorrichtung plötzlich versagen ließ. Gott sei Dank nur ein paar Kilometer vor Kindia, einer mit Mechanikern bestückten Stadt. Gut beschleunigt durch die 650 Höhenmeter zwischen Hügel-Télimélé und Meeresniveau-Conakry, rollte ich mit Schweißperlen auf der Stirn und Stoßgebeten auf der Zunge in Kindia ein. Und fand heraus, dass man mit Hupe, Handbremse und Heerscharen von Schutzengeln heil durch den morgendlichen Stau und in die Werkstatt unterm Mangobaum kommt. Weiter vier Stunden später hatte ich außerdem noch gelernt, wie man mit einer Zange, einem Schraubendreher, einer Plastiktüte, etwas Magnetband aus einer alten Kassette und viel Improvisation eine Bremsanlage wieder fit macht.
Weshalb ich, zurückgekehrt nach Télimélé, voller Freude diese Zeilen in unseren Rechner hämmere, während meine Augen das kleine, elegante Satelliten-Kästchen streicheln. Wenn Ihr das hier lesen könnt, funktioniert es sogar!

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