Abgekupfert.

geschrieben von admin am 5. Januar 2011
Kategorie: Aktuelles


Seit ein paar Wochen unterrichtet Romy einmal pro Woche am Vormittag im kleinen Dorf-Lycée von Porékiré. Im theoretischen deutschen Terminus ist es ein Gymnasium. In der realen guineischen Praxis ist es eine Katastrophe.
Romy kam zur Position der Lehrerin ehrenhalber mehr oder weniger ungeplant. Nämlich einzig aufgrund der Tatsache, dass jene Schule gleich neben unserem Dorf Péguéty liegt. Und in Guinea geht nichts über „mein Dorf“ – den Ort meiner Herkunft.
Selbst wenn mancher Guineer seit dem Tag seiner Geburt nicht mehr in „seinem Dorf“ gewesen ist, und den Besuch jener traurigen Hüttenansammlung schon seit Jahrzehnten um jeden Preis vermeidet – sobald „sein Dorf“ erwähnt wird, glänzen seine Augen und schwillt seine Brust.

Und auch wenn Romy in Péguéty nicht geboren wurde (und sicherlich nicht dort begraben werden will) – auch sie übernahm Verantwortung für das Dorf unserer Feuertaufe … und wurde schon nach zwei Minuten Gymnasiastenunterricht in die Realität des analphabetischen Dorflebens zurückbefördert.
Sicherlich sind wir durch die pseudo-metropolische Situation unserer Heimat“stadt“ Télimélé ein wenig verwöhnt. Doch immerhin sprechen dort die meisten Schüler nach 12 Jahren (französischsprachigen) Unterrichts zumindest rudimentär die Sprache Voltaires und Sarkozys… Im Dorf jedoch kommt es nicht selten vor, dass ein geduldiger Pennäler die Paukerei jahrelang so effizient ausblendet, dass seine Sprachkenntnisse über ein „Bonjour“ nicht hinausgehen.

Das wäre nicht so schlimm. Schließlich lernen sie bei Romy Englisch. Zum ersten Mal, in der zwölften Klasse. Und weil es ohne Motivation nicht geht, schrieb Romy heute Vormittag, den ersten Test. Trotz der Vorankündigung waren von 90 Schülern immerhin knapp 60 gekommen. Als es jedoch an die eigentliche Kenntnisüberprüfung ging, begannen die jungen Englischaspiranten zu spicken, als gäbe es kein Morgen. Da Romy selbst einmal zur Schule ging, bemerkte sie die nicht sonderlich eleganten Abschreibversuche und warnte: „Nach dem dritten Versuch fliegt jeder Betrüger raus!“ Die Schüler nickten brav. Und spickten weiter.
Weshalb die entschlossene Lehrerin in den nächsten Minuten ungelogen 32 Schüler vor die Klasse setzen musste. Der kläglich Rest beendete den Test. Mit durchwachsenem Ergebnis. Was lecker wäre, wenn das Gespickte ein Braten wäre.

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