Positivistische Real-Utopien

geschrieben von Heiko am 11. Oktober 2009
Kategorie: Aktuelles


Gelassen-uninformierte Grüße aus Guinea! Sämtliche Berichte, die man derzeit über Guinea lesen oder hören kann, haben eine Gemeinsamkeit: Den – leider unerfüllten – Wunsch nach verlässlichen Informationen zu den tragischen Ereignissen vor zwei Wochen. Es ist immer noch nicht klar, wie genau die Geschehnisse abliefen, wer verantwortlich ist und was seitdem hinter den Kulissen geschah. Vor allem ist unklar, wie alles enden wird. Zwar gibt es eine nationale Untersuchungskommission. Der die Opposition nicht traut und bei der sie deshalb auch nicht mitmacht. Und überhaupt will keiner mit keinem reden.

Im Augenblick versucht der Präsident von Burkina Faso als Vermittler aufzutreten. Kein leichter Job. Er hat sowohl die Opposition als auch den guineischen Präsidenten samt Regierung nach Ouagadougou eingeladen.

Weshalb eine Frage alle Welt bewegt:
Reist er oder reist er nicht? („Er“ ist natürlich der Präsi)
Wie reagiert das Ausland, wenn er nicht reist?
Und was passiert im Inland, wenn er reist?

Nun, wir werden es in ein paar Tagen herausfinden. Romy und ich haben immer noch einen ungetrübt positiven Ausblick auf die Lage. Das mag daran liegen, dass wir vom guineischen „Am-Ende-bleibt-alles-anders“-Virus infiziert sind. Oder vielleicht doch eher daran, dass wir dem alten Kinderlied „He’s got the whole world in his hand“ Glauben schenken. Und so handeln wir nach unserer alten Maxime: „Hoffe auf das Beste. Doch bereite dich auf das Interessanteste vor.“ Deshalb bin ich, Heiko, für ein paar Tage in die Hauptstadt gedüst. Vorräte aufstocken. Klopapier kaufen. Auto reparieren (in der Hoffnung, dass die Reparatur mehr als 12 km lang anhält). Visa erneuern. Ersatzteile fürs Studienzentrum besorgen.

Derzeit sind sämtliche Botschaften (inklusive der deutschen) äußerst kommunikativ. Am liebsten hätten sie sämtliche Ausländer dort, wo sie ihrer Meinung nach hingehören: im Ausland. Sogar die französische Botschaft ist seit kurzem an uns in unserer Eigenschaft als Europäer interessiert. Da die Franzosen die größte europäische Vertretung im Lande haben, übernehmen sie auch die Aufgabe des „Europäereinsammelns“. Theoretisch zumindest. Wir durften uns auf vier offiziell aussehenden Formularseiten mit all unseren offiziellen Daten verewigen. Zum Beispiel mit unserer Wohnanschrift in Télimélé (in Ermangelung von Straßennamen und Hausnummern steht dort: „im Haus des ehemaligen Finanziers in Ley-Wendou/Télimélé“ – ein praktisches Faktum, falls einer von Euch mal zufällig in der Gegend sein sollte). Sogar die GPS-Position mussten wir angeben. Wobei ich mir auch in meinen wildesten Träumen nicht vorstellen kann, dass eines Abends ein französischer Helikopter über unserm Haus in Télimélé hängen wird, während gallische Spezial-Elite-Soldaten eine Strickleiter herunterlassen und „Vite! Vite“ brüllen… Obwohl – sehenswert wäre das schon.

Kommentare geschlossen.