Die Segnungen der Kommunikation

geschrieben von admin am 28. August 2008
Kategorie: Aktuelles


Der Austausch von Telefonnummern ist eine Tradition, so alt wie die Menschheit selbst. Wahrscheinlich hinterließ schon Abraham seine Handynummer in Chaldäa, bevor er sich auf seine Reise ins gelobte Land machte. Und wunderte sich anschließend, dass niemand anrief.
Der Glückliche!
In unserer letzten Woche in Guinea machten auch wir eine große Abschiedsrunde. Und gaben an genau fünf Leute unsere deutsche Telefonnummer weiter. Für den Notfall. Dass wirklich jemand anrufen würde, schien aufgrund der Preise eher unwahrscheinlich.
Außerdem hatten wir versprochen, in regelmäßigen Abständen sämtliche Freunde anzurufen. Eine Aufgabe, die ich – meines Zeichens Nichttelefonierer der Güteklasse A – mit zusammengekniffenen Lippen ungefähr alle 10 Tage getreulich durchführte. Und wenn ein solcher Anruf nach 27 Versuchen tatsächlich einmal durchkam, gab’s Jubel, Trubel und Heiterkeit auf der anderen Seite. Wir tauschten fünf Minuten lang Nicht-Informationen aus (über das Wetter, den Zustand des Lebens im Allgemeinen, Besonderen und Metaphysischen und über die blühenden Aussichten der guineischen Bevölkerung) grüßten gegenseitig die gesamten Familien bis hin zur Schwägerin des Urgroßneffen und verabschiedeten uns artig. So weit, so gut.
Eines Morgens, vor gut einer Woche, kamen meine Eltern, in deren Haus Romy und ich eine Bleibe gefunden haben, mit geröteten Augen ins Wohnzimmer geschlurft. Und informierten mich darüber, dass in der vorangegangenen Nacht gegen ein Uhr das Telefon geläutet und eine ausländische Stimme ausländische Sachen gesagt hätte. Nur um danach aufzulegen und meinen alten Herrschaften Einschlafstörungen zu bescheren. Auf dem Display stand eine unbekannte Telefonnummer. Mit guineischer Ländervorwahl. Ich blätter durch alle 200 guineischen Telefonnummern von Freunden, Bekannten und Diallos. Ohne Erfolg. Weshalb ich höflicherweise bis Mittag wartete, um die zwei Stunden Zeitunterschied auszugleichen und die Nummer selbst einmal anklingelte. „Ihr Gesprächspartner ist derzeit nicht erreichbar.“ Das war er nie, egal, wann ich es auch versuchte.
Ein paar Tage lang blieb es ruhig. Bis ich eines Nachts plötzlich aus einem tiefschürfenden Traum aufwachte. Im Traum verkaufte gerade Paul McCartney einen goldenen Colt an meinen Onkel, als von unten aus dem Erdgeschoss mein Namen zu uns unters Dach heraufdrang. Allerdings in Realität. Durch das Treppenhaus schallte der Ruf: „Heiko – Mama! Mama!“ Ebendiese war kurz vor zwei Uhr morgens am Telefon und versuchte dem rätselhaften Anrufer klarzumachen, dass er nicht ganz falsch verbunden war. Ich wälzte mich mit geschlossenen Augen in Sekunden-(von mir aus auch Minuten-)bruchteilen aus dem Bett. Gerade noch rechtzeitig, um mitzubekommen, wie der Anruf beendet wurde. Angeblich hatte eine tiefe, aber noch junge männliche Stimme „Oui“ gesagt. Und danach aufgelegt. Das Telefon, eine moderne kabellose Erfindung mit sämtlichen Schikanen, verkündete dieses Mal als anrufende Nummer „von außerhalb“. Sehr instruktiv. Sind wir nicht alle irgendwo von draußen, vor der Tür?
Ich schnappte mir das Telefon und legte es neben mein Bett. Hätte ich natürlich eher machen können – aber wer will schon mitten in der Nacht durch Telefongebimmel geweckt werden?
Natürlich rief niemand an. Auch in den kommenden Tagen nicht. Und natürlich blieb auch die Rufnummer trotz unzähliger weiterer Gegenanrufe unerreichbar.
Auch das Kommunikationszeitalter braucht seine Geheimnisse.

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