In Auflösung begriffen schießt man am Ziel vorbei und

geschrieben von admin am 21. Juni 2008
Kategorie: Aktuelles


Die Titelzeile fasst die Situation von Guinea in einem Satz zusammen. Die Lehrer streiken. Die Mediziner streiken. Die Zollbeamten und die Polizei streiken. Die Armee plündert. Nebenbei feuert die Polizei auf die Armee und umgekehrt. Der Präsident dreht Däumchen (falls er das in seinem Zustand noch kann…) Der Rest hungert. Wir beten.
Nachdem die Armee gemeutert hatte, fand es auch die Polizei an der Zeit,
etwas Ähnliches zu versuchen. Sie nahmen vergangenen Montag in Conakry die Polizeichefs in Geiselhaft, feuerten in die Luft und forderten mehr Geld,
ausstehende Gehälter, Beförderung aller Dienstgrade, billigen Reis,
Freilassung gefangener Polizisten, die wegen Drogenhandels einsitzen und Sonnenschein für alle.
Leider begingen sie den Fehler, auch ein Armeefahrzeug mit zwei Militärs zu stoppen und die beiden als Geiseln zu nehmen. Weshalb am Dienstagmorgen die Armee etliche Polizeistationen stürmte. Insbesondere das Hauptquartier einer Polizeielitetruppe, der „Mobilen Eingreif- und Sicherheitskompanie“.
Übrigens ohne Befehl von oben. Der war nicht nötig, weil sich die Militärs nach eigenen Angaben gedemütigt fühlten. Das und der Konsum zu vieler Rambo-Filme führten zu einem Feuergefecht, bei dem 12 Militärs verletzt und fünf Polizisten getötet wurden. Über 30 Polizisten wurden gefangen genommen,
ausgezogen, öffentlich verprügelt und dann in ein Armeecamp überführt.
Natürlich nutzen kriminelle Banden diese für sie goldenen Zustände aus. Aber wenn man einmal von den Attacken und Plünderungen absieht, ist die Lage ruhig. Zumindest an der Oberfläche. Wenn man nicht gerade eine Uniform trägt, kann man sich einigermaßen sicher bewegen.
Hier in Télimélé sowieso. Die einzigen Polizisten, die wir täglich sehen,
wanken stark angetrunken durch die Gegend und halten sich an ihren Dienstwaffen fest. Wahre Vorbilder für die Jugend. Weshalb wir an unseren alltäglichen Aktivitäten festhalten und im Center arbeiten. Gerade dieser Tage durften wir in die Abgründe der illegalen Abtreibung in unserer Kleinstadt hineinschauen. War nicht schön, was dort zu sehen ist.

Währenddessen hat der neue Premierminister Souaré seine neue Regierungsmannschaft bekannt gegeben. Die Zahl der Posten wurde wieder von 22 auf 36 erhöht. 33 Minister und 3 ministerielle Büros. Damit das Land besser regiert werden kann (besser gesagt, damit 14 weitere Pfeffersäcke die Chance haben, den Rahm abzuschöpfen)! Ein paar neue Köpfe, ein paar Minister vom alten Kouyaté und sogar ein paar gaaaanz alte Direktoren. Die Reaktion der Bevölkerung: ein Flunsch. Bisher nicht viel mehr. Ob die Reaktion aber so bleiben wird – besonders, wenn man an den Streik der Lehrer und Mediziner denkt – kann bezweifelt werden. Kranke gibt’s mehr als genug (und ob die streikenden Doktoren schon mal von einer Notfallversorgung gehört haben,
möchte ich nicht beschwören). Außerdem ist das diesjährige Abitur in Gefahr.
Und auch die Universitätsstudenten sind unzufrieden.
Ich glaube, es wäre schwierig, viele Guineer zu finden, die im Augenblick zufrieden sind. Hoffnung fehlt an allen Ecken und Enden. Weshalb ich heute nicht mit einem halbgewalkten Aphorismus ende, sondern mit der geistreichen Bitte, für Guinea zu beten. Und wer’s noch nie probiert hat: heute ist ein guter Tag für einen Versuch.

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