Schibbolet

geschrieben von admin am 10. Februar 2008
Kategorie: Aktuelles


Eine (an wenigen strähnigen Haaren herbeigezogene) Theorie behauptet, dass die westafrikanischen Fulbhe – bei denen zu leben Romy und ich die Ehre haben – ein Teil der verschwunden 10 Stämme Israels seien. Aufgestellt wurde diese Behauptung von einem alten Ethnologen vor gut zweihundert Jahren. Und auch wenn sich die Idee eher nach Indiana Jones anhört, habe ich doch neue Beweise für die Richtigkeit dieser Hypothese. Die Fakten lagen schon jahrelang auf dem Tisch. Oder noch genauer: auf der Zunge. Wann immer Romy in einer ihrer Sprachklassen in die Tiefen der deutschen und englischen Aussprache eintauchen wollte, scheiterte sie bei etlichen Schülern. Am „S“.
Lehrer: „Sag: I’m sorry!“ Schüler: „I’m schorry!“ Lehrer: „Wie heißt Deine Nachbarin?“ Schüler: „Sory Binta!“ Lehrer: „Und wie heißt ‚tut mir leid‘?“ Schüler: „I’m schorry!“ Lehrer: „Ich auch!“ Das Problem muss ein psychologisch-akkustisches sein. Denn in Pular, der eigenen Sprache, gibt’s kein S-Problem. Nur in sämtlichen Fremdsprachen,
Französisch als Landessprache mit eingerechnet. Lehrerin Romy hat zum Glück sehr viel mehr Geduld als ich. Sie wiederholt wochenlang, dass sie sorry ist.
Das funktioniert allerdings nicht, wenn man Sprechgesänge aufnehmen will.
Als am Wochenende unsere Télimélé Youngsters frisch und frei ins Mikrofon rhythmisierten, brachten sie mich mit ihren Rappreimen an den Rand der Verzweiflung. Wann immer ein weiches französisches S gebraucht wurde, gab’s stattdessen ein SCHönes SCH.
Eine inverse Beobachtung kann man schon im Alten Testament im Buch der Richter machen. Dort treffen wir Jeftah am Ufer des Jordan im Kampf mit den aufrührerischen Ephraimiter. Der zweischneidige Held passte damals die gegnerischen Kämpfer an der Furt ab und ließ sie das schöne hebräische Wort „schibbolet“ aussprechen, welches „Strömung“ bedeutet. Allerdings sagten die Ephraimiter allesamt „sibbolet“ und wurden deshalb über den Jordan geschickt…
Nun. Unsere Rapper haben die Aufnahmen überlebt. Ich auch. Aber es bringt einen schon zum Nachdenken…

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