Seelenheil inklusive

geschrieben von admin am 19. Januar 2008
Kategorie: Aktuelles


Gestern klingelte unser Telefon. Mein adoptierter Bruder Alpha annoncierte in seiner gewohnt sparsamen Redeweise, dass a) „das Fest“ stattfinden würde und b) unsere adoptierte Tante aus Mekka zurückgekommen sei. Cool. Der vielseitig religiös gebildete Zeitgenosse weiß, dass einen Monat nach Tabaski (dem Opferfest nach Ramadan) noch ein Fest kommt. Ich bin nur halbseitig gebildet. Und fragte deshalb nach, welches Fest denn gekommen sei.Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Halt irgend so ein Fest. Wo man die ganze Nacht nicht schläft.“Aha. Das passt auf eine ganze Menge muslimische Feste. Doch aus den verdrängten Schubladen meines Unterbewusstseins drängten schaurige Erinnerungen nach oben: Zweitausend lärmende Kinder vorm Tor, die eine halbe Nacht, zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens nonstop einen Zweiton-Singsang abließen und damit Geldgeschenkchen aus den reichen Portos herauszuquetschen versuchten. Vergessen wir mal, dass ich geiziger und müder Kerl in den gesamten sechs Jahren NIE den Weg ans Tor gefunden hatte. Sie kamen trotzdem immer wieder.NEIN. – Doch. Es war der Islamische Neujahrstag – der Tag der Hidjra. An diesem Tag siedelte der alte Mohammed von Mekka nach Medina um. Irgendwann Ende September 622 nach Christus. Aus diesem Grund markiert dieses Datum den Beginn der muslimischen Zeitrechnung. Für uns markierte es vor allem den Beginn einer kurzen Nacht.Aber vorher mussten wir unsere einheimische Familie besuchen. Die veranstaltete nämlich ein Fest am Fest. Zu Ehren von Tanti Adama. Weil: Das macht man so, wenn einer aus der Familie nach Mekka gepilgert ist und in einem Stück zurückkam.Hier in Guinea tun das nur die wirklich Begüterten. Denn so ein Hadsch (maskuliner! Fachausdruck für die Pilgerfahrt) kostet über den Daumen gepeilt um die zweieinhalbtausend Euro. Dafür organisiert der Islamische Rat in Conakry die Charterflüge und die Massenunterkünfte vor Ort.Trotz des stolzen Preises versuchen alle, die es irgend können, die nötigen Moneten zusammenzukratzen. Die Pilgerei ist nämlich nicht nur eine der fünf Säulen des Islam, sondern auch eine Art einmonatiger Aufenthalt im Intershop (die Leser ostdeutscher Herkunft haben schon verstanden, oder?) Nach den vier, fünf Wochen in Saudi-Arabien kommen die Pilger nämlich nicht nur mit frischen Hoffnungen aufs Paradies, sondern auch mit Videokameras, Handys,Digitalkameras und anderen technischen Spielereien zurück.Tanti Adama war keine Ausnahme.Ganz in weiß, der Kleidung eines Pilgers, empfing sie die Bewohnerschaft Télimélés. Und ließ sich mit einer noch original verpackten digitalen Videokamera in huldvollen Posen ablichten. Auch Romy und ich mussten rechts und links von der Hadja auf dem weißen Sofa Platz nehmen und wurden verknipst. Es ist zu vermuten, dass die Bilder alle schön weich gezeichnet sein werden. Denn über der Linse klebte noch die Schutzfolie. Sei’s drum:Die ganze Familie war stolz wie Oskar, dass eine der ihren den Gang um die Kaaba getan hatte.Viel Geld für wenig Gewissheit, wenn man nach meiner unbescheidenen Meinung fragt. Denn auch der Hadsch verheißt einem Muslim noch lange kein Paradies.Wenn man nach ewigen Garantien im Islam fragt, bleibt festzuhalten: Es gibt keine. Selbst wenn ein Rechtgläubiger sämtliche Voraussetzungen erfüllte:das Glaubensbekenntnis sprach, jeden Tag fünfmal betete, an Ramadan fastete,Almosen gab und auf sich auf Wallfahr machte; selbst dann bleibt die ewige Sicht bedeckt. Man kommt ins Paradies – insh’allah – wenn Gott will. Ob er allerdings will, weiß auch der Haupt-Imam in Mekka nicht.Kein Grund, sich den Muslimen gegenüber als Superior zu fühlen. Denn auch gewisse christlich-humanistischen Bemühungen, ein Eigenheim im Himmel aufzumauern, sind bestenfalls tragisch. Goethes „Wer immer strebend sich bemüht/Den können wir erlösen“ ist theologisch betrachtet ein reiner Knittelvers (Literarisch übrigens auch). Ich halte es lieber mit dem alten Luther und dem noch älteren Paulus, und halte fest, dass wir allzumal Sünder sind. Mit dem feinen Unterschied, dass einige der Sünder gerettet sind. Sola gratia – allein aus Gnade.P.S. Die Kinder sangen wieder. Dieses Mal nur bis Mitternacht. Dafür müsste man ihnen glatt was geben!

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