Wo gehobelt wird.

geschrieben von admin am 30. Oktober 2007
Kategorie: Aktuelles


… da fallen Späne. Dieses Holzabriebfacharbeitersprichwort hat durchaus seine positiven Aspekte! Auch wenn’s meistens im Bezug auf Kollateralschäden angewandt wird, bleibt festzuhalten: Immerhin passiert was. Kleine Spanringelschwänzchen schweben mit poetischen Drehungen dem Erdboden zu.Wenn denn der Tischler arbeitet. Unserer tut’s nicht. Spulen wir mal dreieinhalb Jahre zurück. Damals kannten wir Mamadou J. schon 24 lange Monate. Er hatte uns mit Stühlen, Regalen und Tischen beglückt.Allesamt in muskulös-manueller Fuchsschwanztrenntechnik aus ganzen Baumstämmen herausgeschnitten. Allesamt mehr oder weniger wackelig auf den hölzernen Beinen.Wir standen zu jener Zeit kurz vor unserem Urlaub. Grund genug für den Jungtischler, mit einem Anliegen rüberzurücken. Wir könnten die Situation der guineischen Volkswirtschaft im Allgemeinen und die aller Tischler namens Mamadou J. im Besonderen herumreißen! Wenn wir ihm eine Benzinbetriebene Kettensäge aus deutschen Landen mitbringen würden. Er versprach uns endlose Reihen nicht-kippelnden Mobiliars. Qualitätssteigerungen um 450%. Unsere sorgfältig durchgeführte Risikomanagement-Analyse besagte: „Besser das Geld verbrennen!“ Aber der junge Mamadou ließ nicht locker. Wann immer wir uns trafen, streute er kleine Saatkörner ins Gespräch ein, die alle mit „Ach wenn ich doch eine …“ begannen, und mit „Benzinbetriebene Kettensäge hätte, seufz!“endeten. Vor ein paar Monaten keimte die Saat. Unsere Risikoanalyse sagte immer noch: „Lieber in hochabenteuerliche Hedgefonds investieren!“ Trotzdem reiste in unserem Gepäck eine kleine Kettensäge nach Westafrika ein.Seien wir ehrlich. Auch die humanistisch Hochgebildeten (nicht, dass wir dazu gehören würden) bekommen ein Jucken in den Fingern, wenn’s darum geht,die destruktive Wirkung einer guten alten röhrenden Kettensäge auszuprobieren. Weshalb wir bald nach unserer Ankunft gemeinsam mit unserm Tischlerchen über unseren Hof rannten, die Kettensäge schwangen und alle möglichen toten Äste absäbelten. Wir nannten es Holzschnitt-Unterricht!Außerdem vereinbarten wir eine zinslose Kreditrückzahlung. Indem Mamadou J.für uns arbeiten würde, könnte er innerhalb einiger Monate die Kettensäge mit Fug und Recht in seinen Besitz überführen. Beginn der Rückzahlung:sofort! Das Studienzentrum brauchte, wegen Studentenüberfüllung, neue Tische, Stühle und Regale. Gemeinsam begannen wir, die erforderlichen Materialien abzuzählen: Holz, Nägel, Sandpapier und Konsorten, damit wir ihm die erforderliche Menge Materialgeld auszahlen konnten. Den Kostenvoranschlag in der einen, das Geldbündel in der anderen Hand,versprach Monsieur J. mit vor Freude gebrochener Stimme, noch am selben Tag mit dem Einkauf zu beginnen. Und am folgenden Tag mit den Maschinengetriebenen Sägearbeiten. Seine Augen glänzten vor Freude, als er nach dem Objekt seiner Begierde griff und sich verabschiedete.Und das war das letzte Mal, dass unsere Augen ihn sahen. Tischler,Kettensäge und Materialgeld machten sich auf den Weg, die Werkzeuge aus Mamadous Heimatdorf zu holen. Und kehrten nicht mehr in seine Werkstatt zurück. Irgendein Wurmloch muss alle drei verschlungen haben.Aus den Wochen wurden Monate. Doch Mamadous Großmutter machte sich nicht übermäßige Sorgen. Sie war nur verärgert, dass er keinen Beitrag zur Feier nach Ramadan abgab. Jetzt, wo er so gut situiert war.Wir selbst entschieden uns, dieses Mal nicht auf die Pirsch nach den Verlorenen zu gehen. Ist nicht gut für den Blutdruck, wenn man ein paar Tage durch die Dörfer rotiert, wo doch das Ergebnis mehr oder weniger feststeht.Denn es ist höchstwahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis der verlorene Sohn wieder auftauchen wird. Vermutlich mit ebenso leeren Händen, wie sein Vorbild aus der Bibel. Wir sind gerade am Ausdiskutieren, welches gemästete Kalb wir für ihn schlachten wollen? Aber hat nicht jeder von uns seine private Kettensäge in den geheimen Gemächern des Selbst hängen? Eine Sache – ein Zustand – ein Ziel, das wir um jeden Preis haben wollen? Wo liegt unser Limit, einer Versuchung zu widerstehen? Und sei es auch die Versuchung der Selbstgerechtigkeit.Ziemlich sicher hatte der Zimmermann Jesus Christus nicht nur Berufskollegen im Blick, als er sagte: „Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge,den Balken in deinem eigenen Auge aber siehst du nicht?“ Wir halten die Augen offen.

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