Ich will Geld!

geschrieben von admin am 4. Oktober 2007
Kategorie: Aktuelles


Der aufmerksame Beobachter kann gegen Ende des Ramadan in Guinea ein merkwürdiges Phänomen wahrnehmen. Jedes Jahr um diese Zeit wandeln sich die guineischen Ordnungshüter von Dr. Jekyll zu Mr. Hyde. Eigentlich eher von Mr. Hyde zu Mr. Noch-Hyder. Will sagen: Sie sind das ganze Jahr eine ziemlich Plage sowohl des ehrlichen als auch des nicht-ganz-ehrlichen Mannes. Denn tagaus,
tagein unternehmen sie zahllose Versuche, die Verkehrsteilnehmer mithilfe ausgeklügelter Techniken zu schröpfen.
Aber je näher das große Fest am Ende des Fastenmonats herannaht, desto blutunterlaufener werden ihre Augen, desto direkter wird ihre Methodik und desto nerviger ist es, eine öffentliche Straße zu benutzen. Weil sie Geld zum Feten brauchen, um Fleisch, coole Klamotten und tolle Accessoires erstehen zu können.
Im Allgemeinen lautet die Methode, einen Fehler zu entdecken. Ist eigentlich recht einfach: Man checkt der Reihe nach Führerschein,
Versicherungskarte, Steuerplakette, Nummernschild, Gurt, Erste-Hilfe-Kasten, Warndreieck, und die Klopapierrolle unterm Stricküberzug im Rückfenster. Irgendwas fehlt fast immer in einem guineischen Fahrzeug.
Als ich vor ein paar Tagen in Conakry war, um Auto, Spannungswandler und Zähne zu reparieren, fiel mir sofort der rastlose Blick der Polizisten auf. Leider traf er auch einige Male zu oft auf den Schreiber dieser Zeilen.
Ich wurde gestoppt, kurbelte erwartungsvoll die Scheibe herunter und grinste der Ordnungshüterin ins Angesicht. Und lernte die Ramadan-Methode kennen. Die junge Polizistin sprach: „Gib mir Geld!“ So lieben wir Europäer es. Klar, direkt und ohne viel um den heißen Brei herumzureden!
Ich war trotzdem etwas verdattert. Wenigstens nach den Papieren hätte sie frage können. Also fragte ich nach: „Was wollen Sie,
bitte?“ „Ich will Geld“ Als ich mich unwillig zeigte, Scheine rauszukramen, wusste sie nicht so recht, was tun. Sie wollte mich schon weiter ziehen lassen,
als ihr ein bewaffnetes Schwarzhemd (seines Zeichens Sondergendarm in Conakry) einen guten Tipp gab: „Nimm ihm die Papiere weg!“ Yeah. Genau das tat sie. Und was nun?
Das Schwarzhemd wollte die übliche Belagerungserpressung versuchen: „Fahr rechts ran! Steig aus! Verbring den Tag auf unserer Kreuzung. Oder zahle!“ Tat ich aber nicht. Sondern verstopfte mit dem Hilux die Kreuzung. So einfach sollten sie’s auch nicht haben. Die Polizistin war inzwischen zu ihrem Vorgesetzten gegangen und zeigte ihm meine Papiere. Der war irritiert. Um ihn herum hupten zwanzig Autos aus allen Hörnern, weil sich nichts mehr bewegte. Diese Tatsache rettete mich. Ich bekam meine Papiere zurück und wurde der Kreuzung verwiesen. Übrigens nur, um zwei Stunden später an gleicher Stelle dasselbe nochmal zu erleben. Mit dem gleichen Ergebnis.

Schlechte Gewohnheiten ändern sich langsam. Dabei versucht es die neue Regierung unter Premier Kouyaté. Da ist zum Beispiel die Präfektin einer Präfektur in der Nähe der Hauptstadt Conakry. Sie ist in zweifacher Hinsicht etwas besonderes in ihrer Position: Sie ist eine Frau. Und sie ist Christin.
Diese mutige Dame erließ neulich eine Bestimmung, die es all ihren Untergebenen in der Präfektur strikt verbot, Bestechungsgelder anzunehmen. Verstöße wurden geahndet.
Darüber waren die alten Abkassierer nicht sehr glücklich. Und beschwerten sich beim ollen Präsi, der in der Hauptstadt immer noch seiner alten Macht nachtrauert und dem Premier das Leben schwer macht. Mister President lud daraufhin die Präfektin vor. Allerdings nicht, um sie zu belobigen…
Kein Wunder, dass der kleine Mann keine Notwendigkeit zur Änderung seines persönliches Verhaltens sieht, wenn doch der ewig-gestrige Chef vons Janze immer noch denkt, dass „Aufrichtigkeit“ eine Rückenkrankheit ist…

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