Tod unter Palmen

geschrieben von admin am 18. September 2007
Kategorie: Aktuelles


Agatha Christie hat – glaube ich – mal ein Buch mit diesem Titel geschrieben. Sie hatte ja keine Ahnung. Als wir vor einem Vierteljahr unserem Seifenproduzenten und Plantagenbesitzer Baïlo 200 Palmen und einen Kilometer Stacheldraht überreichten, war das Prozedere klar wie mein Sockenwaschwasser. Die hölzernen Zaunpfähle wurden außenrum gepflanzt. Die Palmen innen. Und der Draht wurde in drei Reihen um das Grundstück herum abgerollt. Zum ersten in Schienbeinhöhe, zum zweiten in Brusthöhe.
Und zum dritten irgendwo nicht näher definiert dazwischen.
Zumindest theoretisch. Es gab eine Einschränkung: Es fehlten 40 Meter Draht für eine komplette dreifache Umzäunung, denn das Grundstück war etwas größer als gedacht. Jedoch sollte das kein Problem darstellen. Wir wollten schnellstmöglich nachliefern. Und ermutigten unseren Protegé, wenigstens die ersten beiden Lagen Draht vollständig ums Grundstück zu nageln, und die oberste an drei Seiten. Das sollte vorerst genügen, denn Stabhochspringen zählt glücklicherweise nicht zu den Hobbys der hiesigen Kühe.
Kaum wieder im Lande, lieferten wir 200 Meter zusätzlichen Draht ab und erkundigten wir uns nach der Plantage. Die gute Nachricht zuerst: Das Grundstück hatte sich nicht wegbewegt. Auch der Draht war noch da. Nur nicht an den Stellen, die wir uns vorgestellt hatten.
Die Einzäuner hatten der Einfachheit halber an einer einzigen Stelle begonnen, alle drei Drähte ums Grundstück zu spannen. Weil man da nur einmal ringsrum laufen muss. Das ging drei-dreiviertel Seiten lang auch gut. Erst 20 Meter vorm Ende gabÂ’s ein Problem. Die Praktiker unter Euch können sich die Natur des Problems vielleicht sogar vorstellen. Es war – hatte ich das schon erwähnt? – 20 Meter breit. Und zeichnete sich durch komplette Drahtlosigkeit aus.
Ingeniös, wieÂ’s Drahtzieher nur sein können, taten sie genau das. Sie zogen. Und zwar ganz unten, auf Schienbeinhöhe, bis die zwanzig-Meter-Lücke zumindest abstrakt geschlossen war.
Wären Kühe nun moralisch gebildete Wesen, dann hätte sie diese symbolische Sperre ganz sicher am Eindringen gehindert. Sie hätten gedacht: „Oh. Stacheldraht so dicht überm Boden. Da darf ich sicher nicht rein!“ So aber dachten sie sich einfach: „Palmblätter.
Njammi!“ Und machten einen vorsichtigen aber grooooßen Schritt…
Einen Monat lang gingen sie ein und aus. Weshalb die Palmen nur noch als 240 Strünke im Boden existierten. Diese wurden sorgfältig und vollständig eingezäunt.
Wir zwei Weißen versuchten gar nicht erst, unser emotionales Tohuwabohu zu kaschieren. Da musste wohl irgendein Geduldsdraht gerissen sein. Jedenfalls klaffte in unserem Wohlbefinden eine krasse Lücke.
Aber die Regenzeit dauert ja noch bis Oktober. Da können die Stümpfe mal zeigen, ob noch Lebenskraft in ihnen ist. Denn wir wissen ja: Totgesagte leben länger. Wusste auch schon Jesaja, als er über Davids ausradierte Herrschaftslinie schrieb: „Und ein Sproß wird hervorgehen aus dem Stumpfe Isais, und ein Schößling aus seinen Wurzeln wird Frucht bringen.“ In jenem Fall war die neue Pflanze ja auch viel bedeutsamer, als das alte Kraut.

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