Rauchzeichen

geschrieben von admin am 18. August 2007
Kategorie: Aktuelles


Es regnet. Ziemlich oft. Und selbst wenn’s grade mal nicht tröpfelt, macht die Luftfeuchtigkeit sämtliche Sachen klamm. Die Wäsche im Schrank schimmelt heimlich vor sich hin. Und nach zwei Schritten durch das handgreifliche Abendlüftchen beginnt der Schweiß zu tropfen. Kurz: Es ist August in Guinea! Wir sind zurück in dem etwas anders tickenden Land im Westen Afrikas. Dabei begann die Ankunft schon auf dem Pariser Flughafen, wo wir mit ein paar Amerikanern und Libanesen inmitten einer Masse von rückreisenden Guineern auf unser Flugzeug warteten. Beschallt von jener dudelnden guineischen Volksmusike, welche mich persönlich schon nach drei Takten auf die Bretter haut. Weil genau nach drei Takten die Wiederholung einsetzt: Elektro-Guitarrenspielkreis trifft Pumuckl trifft Muezzin trifft Telefonpausenmusik.
Wir waren etwas außer Atem, da wir für unser Studienzentrum eine Gabe von sage und schreibe acht günstigen transportablen Computern mit uns führten. Dazu noch unsere eigene Rechenmaschine. Alle im Handgepäck. Ein Fest für den französischen Zoll, der uns das gesamte Gepäck auspacken ließ und jedes Stück einzeln röntgte (genau wie’s schon zwei Stunden zuvor die Deutschen getan hatten).
Doch zusätzlich erhielten wir in Paris ein kryptisch abgefasstes Dokument, welches in etwa folgenden Wortlaut hatte: „Die französische Regierung hat das Recht, ihr unliebsame Individuen zurück ins Land ihrer Herkunft zu schicken. Und Sie, werter Reisender, dürfen sich nicht einmischen, falls Sie nicht gar viele Euro Strafe berappen wollen. Verstanden?“ Uns schwante etwas. Dieses Gefühl wurde stärker, als wir in den Transfer-Bus geleitet wurden und selbiger nicht losfuhr. Nach zehn Minuten gab es erste Unmutsbekundungen einiger ungeduldiger Reisender. Das Flughafenpersonal versuchte freundlich grinsend Äl auf die Wogen zu gießen. Es floss jedoch eher ins Feuer. In kürzester Zeit hatten wir im Bus eine Mikro-Revolution. Etliche ruderten mit den Armen und teilten der Weltöffentlichkeit mit, wie unglaublich der Stillstand sei und dass er zweifellos nur mit der Pigmentierung der Haut des Großteils der Reisenden zu tun hätte. Behaupte ich auch immer wieder: „Alles nur, weil ich ‚Schwarz‘ heiße!“ Schließlich bekam es der Busfahrer mit der Angst zu tun und steuerte uns zum Flugzeug. Das hätte er besser nicht tun sollen. Denn dort standen drei Polizeibusse mit etwa 15 Mann Besatzung. Welche sich bemühten, mehrere Guineer in Handschellen ins Flugzeug zu befördern. Nun war auch dem Letzten klar, was der Wisch vom Zoll zu bedeuten hatte. Die Masse brüllte auf, schlug gegen die Fenster und brachte den Bus zum Wackeln. Während die zwei Handvoll Bleichgesichter versuchten möglichst unbeteiligt herumzustehen. Die Türen blieben zu.
Ich persönlich habe keine Einheitsmeinung zum Thema Abschiebung. Einige davon sind ungerecht und unmenschlich, andere mögen in Ordnung gehen. Egal, worum es sich im vorliegenden Fall handelte: Die die Pariser Polizei verhielt sich wirklich zurückhaltend. Ganz im Gegensatz zu den Abgeschobenen, die sich mit Händen, Schellen und Füssen wehrten, während jeweils vier Gesetzeshüter sie durch die Hintertür in die Maschine trugen. Dort blieben sie etwa fünf Minuten. Und kamen schließlich in gleicher Manier wieder zurück.
Auch ein zweiter Versuch hatte keinen Erfolg, so dass die drei Polizeikleinbusse in voller Besetzung vom Rollfeld wegfuhren.
Die Stimmung im Bus drohte zu explodieren. Deshalb öffnete der Busfahrer schließlich die Türen. Und ließ die Leute und den Dampf raus. Doch ins Flugzeug durften wir immer noch nicht. Die Leute trampelten ihren Unmut in den Beton der Startbahn. Grund genug für einen der Heimkehrer, sich vier Meter neben der noch pumpenden Treibstoffleitung erstmal eine Zigarette anzustecken. Genüsslich blies er Rauchringe in die Luft. Das wiederum gab uns die Chance, vier Flughafenbeschäftigte beinahe in Zeitlupe durch die Luft und auf den Raucher zufliegen zu sehen. Sie rissen ihn um und die Kippe aus seinem Mund. Dann waren sie es, die auf dem Beton und dem Räucherstäbchen herumtrampelten.
Und damit war das universelle Gleichgewicht der Reisegesellschaft wieder hergestellt. Alle, die gerade eben noch auf die Pariser Polizeibrutalität geschimpft hatten, schwadronierten nun über den Glimmstengelbenutzer. Ade ihr Klassenunterschiede. Alle Menschen wurden Brüder, denn endlich hatte man einen gemeinsamen Feind. Den suizidären Raucher.
Zu guter Letzt kam noch ein zweiter Flughafenbus mit einer Ladung Chinesen angefahren. Welche – oh Ironie des Schicksals – doppelt gebuchte Plätze hatten. Wie gut, dass die Abschiebung nicht geklappt hatte. Denn so konnten die (fast durchweg männlichen) Stewardessen die asiatischen Reisenden souverän auf die Sitze im hinteren Bereich des Flugzeugs umsetzen. Hat schon alles seinen tieferen Sinn.

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