Bis morgen!

geschrieben von admin am 3. Juni 2007
Kategorie: Aktuelles


Wenn man eine neue Sprache lernt, geht es nicht logischerweise nur darum, die Worte zu erlernen, sondern auch den Verständniscode, der dahinter steckt. Was soll sich zum Beispiel ein Fulbe-Bauer darunter vorstellen, wenn ich ihm erkläre, dass ich gleich die Wände hochgehe? Er wird die Arme verschränken, sich setzen und sich auf meine equilibristische Meisterleistung freuen. Gleiches gilt für uns, wenn wir Pular-Sprichworte durchexerzieren. Vielleicht versteht man jedes Wort. Aber während sich der Gesprächspartner über sein Bonmot abfeiert, steht der Ausländer im Regen (worauf der Inländer kopfschüttend nach Wolken Ausschau hält).
Die Konfusion beginnt jedoch schon auf einem viel niedrigerem Level. Nehmen wir an, man trifft einen Menschen, wechselt ein paar höfliche Worte und geht dann seiner Wege. Am Ende sagt dieser Mensch dann meist: „Bis nachher!“ oder „Bis heute nachmittag!“ oder „Bis morgen früh!“.
Zu Beginn unseres Aufenthaltes in Guinea begannen wir aufgrund eines solchen Abschiedsgrußes zu rotieren. Tee kochen. Plätzchen raus. Wir bekommen Besuch. Nachher. Oder am Nachmittag. Oder morgen früh!
Der Besuch kam nie.
Dafür sieben andere, unangemeldete Zeitgenossen.
Denn „Bis morgen früh!“ – „En bimbi, nanni!“ bedeutet decodiert: „Falls du mir innerhalb der nächsten zehn Jahre zufällig noch mal über meinen Weg laufen wirst, könnte es durchaus sein, dass wir dann auch ein paar Worte wechseln werden. Falls keiner von uns beiden einen Amnesie-Anfall hatte.“ Oder auch: „Ich hoffe, dass Du auch noch morgen früh unter den Lebenden weilst. Dann bestände ja zumindest theoretisch die Möglichkeit, sich zu sehen, auch wenn ich absolut keinen Grund sehe, morgen schon wieder mit Dir über nix zu reden.“ Während Romy auch nach fünf Jahren noch ganz korrekt sagt: „En sai’i!“ – „Bis zur Zeit (da wir uns wiedersehen mögen!“, habe ich mich ganz angepasst. Wenn ich einigermaßen gut drauf bin, marschiere ich über den Markt und grüße grinsend wie ein der Irrenanstalt Entsprungener sämtliche Herr- und Damschaften. Und schmettere „Bis morgen! Super-super!“ Und jeder versteht’s und kommt nicht.
Problematisch wird es wahrscheinlich erst werden, wenn ich meine Grußtechnik in Europa nicht grundlegend ändere. Dann wird es bei uns wohl allmorgendlich Frühstückstreffen geben.

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