Rauch über Telimele

geschrieben von Heiko am 12. Februar 2007
Kategorie: Aktuelles


Heute ist der Funke endgültig auch auf Télimélé übergesprungen. Im Laufe des Vormittags wurden so ziemlich alle staatlichen Einrichtungen ausgeraubt, zerstört und verbrannt, darunter das Gericht, die Polizei, die Gendarmerie, die Präfektur und die Residenz des Präfekten, die lokale Rentenkasse und etliches mehr. Auch das Gefängnis wurde geöffnet. Unter anderem wurden auch ganz neutrale Nichtregierungsorganisationen, wie „Aide et Action“ (die Schulen bauen) und USAid (ein Ernährungsmittelprogramm) überfallen und ausgeraubt, letztere sind nur zwei Häuser von uns entfernt. Das große Lager von USAid im Stadtzentrum wurde den ganzen Nachmittag und Abend geplündert, uns schien es, als würde halb Télimélé die 25kg-Maismehlsäcke herumtragen. Innerhalb kürzester Zeit wurde sogar das Wellblechdach abgedeckt und weggetragen. Unser Center und unser Haus sind bisher noch unversehrt. Wir wurden zwar gewarnt, das Center zu „evakuieren“, doch es ist zu gefährlich ins Stadtzentrum zu fahren. Zu viele Leute mit Steinschleudern… Deshalb haben wir uns entschlossen, dass wir die Lage lieber aussitzen und auf eine himmlische Erblindung der Plünderer hoffen. Wir werden sehen, ob sich morgen die Lage etwas beruhigen wird, oder die Plünderungen weitergehen.

In ganz Guinea sieht es ähnlich aus. Überall wird demonstriert und gezündelt. Auch im Lauf des heutigen Tages gab es wieder mindestens 15 Tote. Unsere Kollegen in Conakry hören den ganzen Tag Schüsse (wir auch, übers Telefon…) Es erreichte uns die Nachricht, dass ein Privatradio heute von der Präsidentengarde gestürmt wurde und Verhaftungen vorgenommen wurden. Wir waren erleichtert, dass es sich nicht um Familia FM handelte. Ein weiteres Novum ist, dass auch im größten Armeecamp in Conakry Schüsse fielen. Die Nachrichten von dort sind widersprüchlich. Einige sagen, dass die Soldaten mit der Ankunft der fremden Söldner unzufrieden waren. Augenzeugen behaupten, dass sich Teile der Armee mit der Bevölkerung solidarisiert hätten und „Changement“ (Veränderung) gerufen hätten. Die Regierung hat sich bisher noch nicht geäußert. Angeblich berät sie sich. Der Knoten ist geschürzt. Die Frage ist, wer ihn zerschlagen wird.

Eure ausharrenden Stubenhocker

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