Guineisches Panzerknacken

geschrieben von admin am 12. Januar 2011
Kategorie: Aktuelles


Das Unglaubliche ist geschehen: Die Bauarbeiten in unserem Studienzentrum wurden pünktlich beendet. Vor ein paar Tagen machte ich mit unserem Maurer/Maler/Herz-vons-Janze eine letzte Baubegehung und zählte ihm die verbliebene Rate in die hohle Hand. Der neue Klassenraum steht. Nur den zugehörigen Tischen und Stühlen geht es ein bisschen wie den Christen: sie warten auf ihre endgültigen Vollendung (frei nach Hebräer 11,40). Weshalb Romy und ich alle paar Tage beim Schreiner unserer Wahllosigkeit vorbeischauen und ihn wie russische Troika-Kutscher mit Schmeicheleien und Drohungen zum Arbeiten anspornen. Es kann sich nur noch um Monate handeln.

Dafür könnte ein anderes, lang erwartetes Ereignis sich seiner Erfüllung nähern. Nicht der im 1. Korintherbrief 15,44 verheißene neue, himmlische Leib für den Schreiber dieser Zeilen (auch wenn er ihn mittlerweile manchmal gut gebrauchen könnte). Nein, stattdessen nur schnödes, GSM-lahmes Internet für Télimélé. Die Neuigkeit brachte mich trotzdem – ähnlich wie ein Auferstehungsleib – zum Schweben.

Während unserer Baubegehung erfuhr ich nebenbei, dass der Neffe unseres Vermieters bei einer hiesigen Telefongesellschaft arbeitete. Ganz der gewiefte Wahlguineer, nutzte ich die Situation und ermutigte unseren hochgeehrten Vermieter, seinerseits den Neffen zur Herausgabe eines Internet-USB-Sticks zu ermutigen. Natürlich gegen Bezahlung.
Allerdings arbeitet der Telefonmann in Mamou, 8 Autostunden von Télimélé entfernt. Wie sollte das Geld zu ihm gelangen? Möglichkeit 1: mit einem Buschtaxifahrer. Ging leider nicht, weil keiner direkt zwischen den beiden Städten pendelt. Im Zeitalter des globalen Dorfes wählte ich voller Überzeugung die Möglichkeit 2: den Versand des Geldes mithilfe eines Geldtransfer-Unternehmens. Zwar haben es normale Banken bisher noch nicht in unsere Stadt geschafft – doch seit einem Jahr kann man auch in Télimélé gegen ein exorbitantes Entgelt monetäre Zuwendungen von Freunden und Verwandten aus Europa in Empfang nehmen.
Solch ein Institut besuchte ich. Nach der Begrüßung wurde ich nicht etwa um meinen Namen gebeten. Sondern erst einmal darum, das zu versendende Geld gut sichtbar auf den Tisch zu stapeln. Vertrauen ist gut, Bargeld ist besser. Da lag mein Stapel inflationärer, geruchsintensiver Scheine. Immer noch wurde kein Kugelschreiber angefasst. Als nächstes musste ich nämlich noch die Versandgebühr berappen. Erst dann durfte ich Empfänger- und Senderdaten loswerden, ehe ich entlassen wurde, um im Warteraum auf meinen persönlichen geheimen Versand-Code zu lauern.

Das Warten war interessanter als gedacht. Kaum saß ich, lief – begleitet vom Direktor des Instituts – ein muskulöser Mann mit Brechstange und Vorschlaghammer vorbei. Sekunden später begann der ganze Laden unter metallischen Hammerschlägen zu erzittern. Aha. Der Direktor hatte den Safeschlüssel verloren.
Die Panzerknacker – Onkel Dagoberts nimmermüde Widersacher – gehören zu meinen Lieblingscomicfiguren. Kein Wunder also, dass ich mir die guineische Öffnung eines Geldschranks anschauen musste. Außerdem dachte ich, dass mein Versand-Code im Safe läge und feuerte den starken Mann begeistert an. Umringt von zwanzig Zuschauern bekam er den alten „Franz-Jäger“ auf. Mein Versandcode war nicht drin. Nur ein paar Millionen Mikrokredite lagen hinter der Stahltür.
Der äußerst geheime Code wurde stattdessen Minuten später per Telefon angefordert. Und alsbald mit schallender Stimme durch das Institut gebrüllt: „ZWEI-UND-DREISSIG!!! ICH WIEDERHOLE…“ Nachdem die zehn Ziffern auch vom letzten Kunden memorisiert worden waren, bekam ich sie hinter vorgehaltener Hand auf einem Blatt Papier verstohlen herübergereicht. Mit der ernsten Belehrung: „Niemandem weitersagen – außer dem Empfänger!“
Wenn jetzt noch a) das USB-Gerätchen irgendwie seinen Weg nach Télimélé findet und b) auch noch funktioniert (beides Möglichkeiten, denen die dynamischste Ehefrau von allen nicht viel Vertrauen entgegenbringt) wird die technische Freude im Hause Schwarz&Crew groß sein.

Obwohl. So wichtig sind dergleichen Spielzeuge ja doch nicht. Als ich dort bei „Crédit Rural“ saß, schlich sich die Frage nach den wahrhaft wertvollen Dingen durch meinen Kopf. Bekanntlich ist in der näheren Umgebung unserer Schätze auch unser Herz zu finden (so nachzulesen in Lukas 12,34). Gut, wenn das nicht bei den „Crédit Rurals“ dieses Äons ist – wo Motte und Rost zerstören und Diebe und Mechaniker durchbrechen und Angestellte ausposaunen. Gut, wenn wir ein Konto in höheren Sphären haben. Für die braucht man nämlich nicht mal Internet.

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